Zu Besuch bei den Welfen in Herzberg

Am 13. September 2014 besuchte die Fachgruppe Baudenkmäler das hoch über dem Ort gelegene Herzberger Welfenschloss. Es ist nicht nur das gröߟte Fachwerkschloss Niedersachsens, sondern auch Wiege des englisch-welfischen Königshauses und Geburtsort des Niedersachsenrosses. Schloss- und Stadtführer Herrn Wolfgang Zeiss, passend gekleidet in ein Gewand des 17. Jahrhunderts, begrüte die Teilnehmer vor dem Schloss und führte die Gruppe, gewürzt mit kleinen Anekdoten, alten Redewendungen und Geschichten, etwa zwei Stunden durch Schloss, Museum und Welfengeschichte.

Einst war die Burg über einen (wasserlosen) Graben zu erreichen, in den Innenhof geht es durch zwei heute mit Wappen geschmückte Tore. 1158 tauschte Heinrich der Löwe die Reichsburg von Friedrich Barbarossa ein. 1361 benutzte Herzog Albrecht II. von Braunschweig(-Grubenhagen) auf der Burg Herzberg anstelle des alten Löwen- bzw. Leoparden-Siegels erstmals ein Siegel mit einem Pferd. Das ist der Ursprung des weißen Niedersachsenrosses. 1510 entkamen Herzog Philipp I., Herzogin Katharina und ihr Sohn bei einem verheerenden Brand nur knapp dem Tod; der kleine Junge starb später an den Folgen. Ab 1528 wurde die Anlage im Renaissance-/Frübarock-Stil neu aufgebaut; es entstand das größte Fachwerkschloss in Niedersachsen. Im 17. Jahrhundert folgte ein grundlegender Umbau, bei dem der prächtige Uhrenturm dazukam. Nachdem Georgs I. 1714 König von England geworden war, wurde die Hofhaltung endgültig aufgehoben, das Mobiliar später verkauft oder verschenkt. Der wertvolle Alabaster-Taufstein aus der Schlosskapelle gelangte über die später abgerissene Bartholomäi-Kirche in die Herzberger St. Nikolai-Kirche. Das Schloss, heute im Besitz des Landes Niedersachsen, beherbergt seit 1852 im Sieberflügel das Amtsgericht Herzberg mit vier Richtern und knüpft damit an die Gerichtstradition des alten Amtes Herzberg an.

Mauer mit Torbogen

Der Rundgang begann am ersten Torbau aus dem 18. Jahrhundert, der bis vor drei Jahren als Jugendgefängnis genutzt worden ist. Das zweite Tor zeigt außen und innen das Wappen mit dem späteren Niedersachsenross. Innen schließt linkerhand der Marstallflügel an, im Ersten Weltkrieg Lazarett, dann Theater, heute Rumpelkammer. Der Flügel zur Stadt hin, genannt Sieberflügel, trägt an der Regenrinne kupferne Wasserspeier für die einstige Zisterne, wohl ein Werk unbekannter ital. Meister. Da die Wassermenge zur Versorgung nicht ausgereicht hat, wurde ein Pumpwerk in Gang gesetzt, welches noch im Museum ausgestellt ist. Der im Hofeck aufragende, viergeschossige Uhrenturm ist kunstgeschichtlich der wertvollste Teil und zeigt reiche figürliche Bauplastiken, u. a. lebensgroße Figuren, im für die Zeit typischen Knorpelstil. Leider ist er derzeit gesperrt und verhängt. Der Graue Flügel im Anschluss stammt aus dem 19. Jahrhundert; die Räume hier sind 4,50 Meter hoch. Ältester Teil ist der Stammhausflügel mit Fachwerkausschmückung in S-Form, der sonst nur in Süddeutschland zu findenden Fränkische Mann. Im Erdgeschoss des Erkers mit welscher Haube befand sich einst die Schlosskapelle. Heute ist hier ein Cafe.

Hier im Stammhausflügel befinden sich das vor 26 Jahren eingerichtete Museum und in der eigentlichen Fürstenwohnung der heutige Rittersaal, ursprünglich lag er im gegenüberliegenden Sieberflügel, der für Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt wird. Hier sind Gemälde der ehemaligen Bewohner aufgehängt, anhand derer die Gruppe mit der Geschichte der Welfen vertraut gemacht wurde. Unter Herzog Georg (1582-1641) wurde Schloss Herzberg ständige Residenz. Er heiratete Anna-Eleonore von Hessen-Darmstadt; sie bekamen vier Söhne und vier Töchter. Ihre Tochter Sophie Amalie heiratete den dänischen König. Nach ihr heißt das Kopenhagener Residenzschloss noch heute Amalienborg. Der älteste Sohn Christian Ludwig ließ den Herzberger Schlossturm bauen, sein im Schloss Herzberg geborener Sohn Ernst August wurde 1692 Kurfürst von Hannover. Dessen Sohn Georg Ludwig folgte nicht nur seinem Vater als Kurfürst, sondern bestieg in der Erbfolge seiner Mutter 1714 als Georg I. den englischen Thron. Das war der Beginn der 123jährigen Personalunion zwischen Hannover und England, und Herzberg war damit die Wiege des englisch-welfischen Königshauses.

Im recht abwechslungsreichen Museum gibt es ein Faksimile des Evangeliars Heinrichs des Löwen (eine der kostbarsten Handschriften des deutschen Mittelalters), einen Teil des Scharzfelder Münzschatzes, etliche Nachbildungen historischer Kopfbedeckungen, Gewehre der ehemaligen fünf Herzberger Gewehrmanufakturen (von denen einige Exemplare in Heimarbeit für Wildereizwecke umgebaut worden sind), eine Engelhardt-Orgel des Herzberger Orgelbauers Engelhardt (mit einer kurzen Orgelvorfü,hrung durch den Schlossführer) und ein Jagdmuseum mit fast wandbreiter Jagdtapete, dessen Original im Schloss Hannover-Herrenhausen zu sehen ist. Außerdem geht es um Bergbau und Forstwirtschaft von Hannover. Der Besuch endete in der derzeitigen Sonderausstellung zum Ersten Weltkrieg.

Heike Grobis